Nachdem der Bundesgerichtshofs Ende Februar 2017 in zwei Verfahren den Bausparkassen ein gesetzliches Kündigungsrecht in der Ansparphase eingeräumt hat, unterbreitet die Aachener Bausparkasse AG ihren Kunden aktuell ein Angebot auf Umstellung von alten Bausparverträgen und kündigt bei Nichtannahme der Vertragsänderung unter Berufung auf § 313 BGB eine Kündigung des Bausparers wegen Störung der Geschäftsgrundlage an.
BGH-Urteil betrifft anderen Kündigungsgrund
Der zeitliche Zusammenhang der BGH-Entscheidung und der Kündigungsandrohung sollte jedoch nicht den Eindruck erwecken, dass der Bundesgerichtshof auch über den von der Aachener Bausparkasse AG angeführten Kündigungsgrund entschieden hätte. Aus der Pressemitteilung des BGH ergibt sich lediglich, dass die Bausparkasse mit einer Frist von sechs Monaten kündigen darf, wenn seit der erstmaligen Zuteilungsreife des Bausparvertrags zehn Jahre vergangen sind (§ 489 BGB).
Dass eine Bausparkasse einen Vertrag kündigen darf, weil durch die aktuelle Niedrigzinsphase eine Störung der Geschäftsgrundlage eingetreten ist (§ 313 BGB), wurde in den beiden Gerichtsverfahren nicht entschieden. Nach unserer Einschätzung liegen die rechtlichen Voraussetzungen dafür auch nicht vor.
Störung der Geschäftsgrundlage
Die Regelung zur Störung der Geschäftsgrundlage stellt einen gesetzlichen Ausnahmefall dar, der beide Vertragspartner vor der erzwungenen Fortführung eines Vertrages schützen soll, der aufgrund einer schwerwiegenden Änderung der Umstände nicht mehr zumutbar ist. Voraussetzung wäre zunächst, dass der geänderte Umstand bei Abschluss des Vertrages von beiden Vertragspartnern überhaupt zur Geschäftsgrundlage gemacht wurde. Bloße einseitige Erwartungen eines Vertragspartners gehören nicht zur Geschäftsgrundlage.
Bei einem Bausparvertrag kann schon aufgrund des vertraglichen Zwecks nicht davon ausgegangen werden, dass bei Vertragsschluss der Bausparer und die Bausparkasse ein gleichbleibendes Zinsniveau zur Grundlage des Vertrags machen wollten. Im Gegenteil: Zweck eines Bausparvertrags ist regelmäßig sich bereits bei Vertragsschluss für die Zukunft ein Darlehen zu einem festen Zins zu sichern. Der Vertrag dient damit der Absicherung vor sich ändernden Zinssätzen.
Aber selbst wenn man annehmen würde, dass das Zinsniveau zur Geschäftsgrundlage geworden ist, führt das noch nicht zu einem Kündigungsrecht. Eine Kündigung kommt auch bei Störung der Geschäftsgrundlage nur dann in Betracht, wenn eine Anpassung des Vertrags nicht möglich ist. Die Vertragsanpassung ist stets vorrangig. Einem geänderten Zinsniveau könnte aber theoretisch durch Änderung der vertraglichen Zinssätze Rechnung getragen werden, ohne dass es einer Kündigung des Vertrags bedarf.
Einige Gerichte haben eine Kündigung der Bausparkasse wegen Störung der Geschäftsgrundlage daher bereits als unwirksam beurteilt. Wenn auf diesen Grund gestützte Kündigungen sich häufen, ist jedoch zu erwarten, dass auch dazu eine abschließende Klärung erst durch ein Urteil des Bundesgerichtshofs erfolgen wird.
Andreas Freitag, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Versicherungsrecht