Wieder einmal hat der Bundesgerichtshof in Karlsruhe die Rechte von Versicherungskunden bei der Rückabwicklung von Lebens- und Rentenversicherungen gestärkt. Er entschied, dass im Falle eines Widerspruches auch Abschluss- und Verwaltungskosten zurückgezahlt werden müssen, nicht jedoch die an das Finanzamt abgeführte Kapitalertragssteuer.
Bereits im Mai 2014 hatte der Bundesgerichtshof zu einer der wichtigsten versicherungsrechtlichen Fragen klargestellt, dass ein zeitlich unbefristetes Widerspruchsrecht besteht, wenn der Verbraucher nicht oder nicht ordnungsgemäß über seine Rechte belehrt wurde, insbesondere über die Möglichkeit, dem Vertrag zu widersprechen.
Das bedeutet: Wurde ein Versicherungsvertrag in den Jahren 1994 bis 2008 abgeschlossen, so kann ein Versicherungsvertrag, in dem die Belehrung unvollständig oder fehlerhaft ist, nahezu vollständig rückabgewickelt werden, weil ein unbefristetes Widerspruchsrecht besteht. Eine solche Rückabwicklung von Lebens- und Rentenversicherungen führt in allen Fällen zu höheren Auszahlungen als die bloße Forderung eines Rückkaufswertes bei Kündigung.
Seit der BGH-Entscheidung im Mai 2014 haben sich indessen viele Gerichte zum einen mit der Frage beschäftigt, wie eine ordnungsgemäße Widerspruchsbelehrung auszusehen hat, sowie mit der Frage, wie die konkrete Rückabwicklung zu erfolgen hat. Grundsätzlich hat ein solcher Widerspruch zur Folge, dass ein Vertrag vollständig rückabgewickelt wird, also alle beiderseits erbrachten Leistungen vollständig zurückzugeben sind. Ein Verbraucher kann also alle seine Prämien zurückverlangen.
Nun gibt es aber einige Leistungen, die faktisch oder rechtlich nicht mehr zurückgegeben werden können. Darunter fällt etwa ein in der Zwischenzeit gewährter Risikoschutz. Hierzu hat der BGH bereits 2014 entschieden, dass Versicherungsnehmer nicht uneingeschränkt alle gezahlten Prämien zurückverlangen können. Vielmehr müssen sie sich den jedenfalls bis zur Kündigung des jeweiligen Vertrags genossenen Versicherungsschutz anrechnen lassen. Dieser Risikoschutz kann, je nach Lebensalter und Vertragsdauer, zwischen 0 und 15 Prozent der gesamten Prämien betragen. Die Erfahrung vieler geführter Prozesse zeigt jedoch, dass diese Risikokosten regelmäßig weniger als fünf Prozent der Prämien ausmachen.
Zudem hat der BGH entschieden, dass der Versicherungsnehmer die Kapitalertragssteuer nebst Solidaritätszuschlag, die der Versicherer bei Auszahlung des Rückkaufswertes für den Versicherungsnehmer an das Finanzamt abgeführt hat, als Vermögensvorteil anrechnen lassen muss. Diese können dann gesondert vom Finanzamt rückgefordert werden.
Nunmehr entschied das Gericht, dass auch Abschluss- und Verwaltungskosten zurückgezahlt werden müssen, weil sie unabhängig von den Versicherungsverträgen angefallen und beglichen worden sind. Der Versicherer muss das Risiko alleine tragen. Diese Frage stand bislang im Streit. Viele Versicherer argumentierten, diese Kosten nicht zurückgewähren zu müssen, weil sie mit dem Risikoschutz eng verknüpft und zudem bereits aufgebraucht wären. Dieser Argumentation hat der Bundesgerichtshof nun einen Riegel vorgeschoben. Die Entscheidung ist nur folgerichtig und führt dazu, dass aktuell eine Rückabwicklung als wirtschaftlich noch sinnvollere Alternative erscheint.
Und auch in einem weiteren Punkt hat der BGH nun Klarheit verschafft: Der Anspruch auf Rückerstattung umfasst auch die durch die Versicherung gezogenen Nutzungen. Problematisch daran ist, dass der Verbraucher die von der Versicherung gezogenen Nutzungen darlegen und beweisen muss. Hier wird in vielen Verfahren auf Seiten der Versicherungsnehmeranwälte mit pauschalen Zinssätzen gerechnet, was nach der letzten Entscheidung des Bundesgerichtshofs jedoch nur schwer begründbar ist. Unsere Prozesserfahrung hat gezeigt, dass es hier effektivere Argumentationsmethoden gibt.
Im Ergebnis sind einige Rechtsfragen noch zu klären. Der Entscheidungsmarathon zur Frage der Rückabwicklung von Versicherungsverträgen ist also noch nicht zu Ende.
Tobias Küverling, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Versicherungsrecht